Gülten Yildirim
4. Okt. 2024
Wie Du die richtige Strecke für Deine Entfernungspauschale ansetzt
Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte:
Fahrten zur Arbeit können als Werbungskosten oder Betriebsausgaben über die Entfernungspauschale abgesetzt werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Die Pauschale beträgt für die ersten 20 Kilometer 30 Cent pro Kilometer, ab dem 21. Kilometer 38 Cent – unabhängig vom genutzten Verkehrsmittel. Aber welche Strecke darfst Du bei der Berechnung ansetzen: die kürzeste Straßenverbindung oder eine verkehrsgünstigere Strecke?
Grundsätzlich gilt:
Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung maßgeblich. Du kannst jedoch auch eine längere, verkehrsgünstigere Strecke ansetzen, wenn Du diese regelmäßig nutzt und sie Dir eine schnellere oder pünktlichere Erreichbarkeit der ersten Tätigkeitsstätte ermöglicht (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG).
Was bedeutet „verkehrsgünstiger“ und „regelmäßig“?
Die Finanzverwaltung und Gerichte haben klare Vorgaben, was als verkehrsgünstiger gilt:
Eine Strecke ist verkehrsgünstiger, wenn Du trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen in der Regel schneller oder pünktlicher an Deinem Arbeitsplatz ankommst. Es spielt keine Rolle, ob die kürzeste Strecke mautpflichtig ist oder nicht für Dein Fahrzeug geeignet (BMF-Schreiben vom 18.11.2021, BStBl 2021 I S. 2315).
Eine Fahrzeitersparnis von mindestens zehn Prozent gegenüber der kürzesten Strecke wird als verkehrsgünstig angesehen. Auch weniger Ampeln, Ortsdurchfahrten oder besser ausgebaute Straßen können die längere Strecke verkehrsgünstiger machen, selbst wenn die Zeitersparnis minimal ist (BFH-Urteil vom 16.11.2011, BStBl 2012 II S. 520).
Aus gesundheitlichen Gründen, wie zum Beispiel Höhenangst, kann eine längere Strecke ebenfalls angesetzt werden (FG Hamburg, Urteil vom 24.3.2003, II 61/02).
Praxisbeispiel:
In der Praxis sind Finanzämter oft streng und akzeptieren längere Strecken nur bei deutlicher Zeitersparnis. Entscheidend ist das Verhältnis der Zeitersparnis zur gesamten Fahrtdauer. Ein Beispiel zeigt, dass selbst gesundheitliche Gründe oder häufige Staus auf der kürzeren Strecke nicht immer ausreichen, um eine längere Strecke anzusetzen. In einem Fall (Urteil des Niedersächsischen FG vom 3.4.2024, 9 K 117/21) argumentierte der Kläger, dass die längere Strecke von 102 Kilometern verkehrsgünstiger sei als die 75 Kilometer lange kürzere Route. Obwohl der Kläger häufige Staus und gesundheitliche Einschränkungen anführte, entschied das Gericht, dass die längere Strecke nicht verkehrsgünstiger sei, da die kürzere Strecke laut Google-Maps-Recherche des Gerichts bei normalem Verkehr um 11 Minuten schneller war.
Öffentliche Verkehrsmittel und verkehrsgünstige Strecken:
Auch bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel kann eine längere Strecke angesetzt werden, wenn sie verkehrsgünstiger ist und die Arbeitsstätte schneller erreicht wird (BMF-Schreiben vom 18.11.2021, BStBl 2021 I S. 2315).