BFH: Zeugnisverweigerung darf steuerlich nicht negativ gewertet werden
- Rechtsanwalt Ibrahim Cakir LL.M. LL.M.
- 3. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Der BFH betont, dass im Besteuerungsverfahren keine negativen Schlüsse aus einer berechtigten Zeugnisverweigerung gezogen werden dürfen (Beschluss vom 14.3.2025 (V B 17/24)). Der Beschluss stärkt nicht nur den Schutz der Selbstbelastungsfreiheit (§ 393 AO i.V.m. § 55 StPO), sondern betont auch die richtige Anwendung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes (§ 81 FGO) im Besteuerungsverfahren.

Verwertbarkeit früherer Aussagen - nur unter engen Voraussetzungen
Der BFH stellt klar, dass Finanzgerichte grundsätzlich auch mittelbare Beweismittel – etwa Protokolle von Zeugenaussagen aus einem früheren Strafverfahren – verwerten dürfen. Das gilt allerdings nur dann, wenn:
der unmittelbare Zeugenbeweis unmöglich, unzulässig oder unzumutbar ist,
und der Zeuge in der mündlichen Verhandlung berechtigt von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht.
In solchen Fällen sei die Verwertung von Vernehmungsprotokollen zulässig – jedoch nicht ohne sorgfältige Würdigung des Beweiswerts.
Fehlender Hinweis auf Beweisgewicht = Verfahrensfehler
Im entschiedenen Fall hatte das Finanzgericht in seinem Urteil nicht erkennen lassen, dass es den Unterschied zwischen unmittelbarem Zeugenbeweis und schriftlicher Aussage reflektiert und entsprechend gewichtet hat.
Der BFH sieht darin einen Verstoß gegen § 81 FGO. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit verlange, dass die Beweiswürdigung die Distanz zum Originalbeweis berücksichtigen und im Urteil zum Ausdruck bringen müsse, dass das Gericht sich dieser Wertungsdifferenz bewusst war.
Keine negative Auslegung des Schweigens erlaubt
Besonders betont der BFH: Das Schweigen eines Zeugen aufgrund eines berechtigten Zeugnisverweigerungsrechts darf weder positiv noch negativ gegen ihn ausgelegt werden.
Dieses Verbot, aus dem Schweigen nachteilige Schlüsse zu ziehen, gilt nicht nur im Strafrecht, sondern auch im steuerlichen Verfahren – eine wichtige Schutzlinie für Beschuldigte und Zeugen gleichermaßen.
Praxishinweis für Steuerberater und Verteidiger
In der steuerstrafrechtlichen Praxis ist die Wechselwirkung zwischen Straf- und Steuerverfahren von hoher Relevanz. Häufig ergeben sich im Besteuerungsverfahren Sachverhalte, die bereits Gegenstand eines Strafverfahrens sind – oder es werden Aussagen aus dem Strafverfahren im Finanzprozess verwertet.
Was gilt also?
Vernehmungsprotokolle aus dem Strafverfahren sind nur dann verwertbar, wenn eine direkte Zeugenvernehmung unmöglich oder unzumutbar ist.
Das Finanzgericht muss den geringeren Beweiswert solcher mittelbaren Beweismittel in der Urteilsbegründung ausdrücklich berücksichtigen.
Aussageverweigerung ist ein Recht, kein Beweis für Schuld oder Unwahrheit – auch nicht im Steuerverfahren.



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