Gericht: LG Saarbrücken
Entscheidungsdatum: 06.09.2017
Aktenzeichen: 1 O 110/17
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.125,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.05.2017 zu zahlen.
Tatbestand
Die Parteien schlossen im März 2007 zu der Nummer ... einen grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensvertrag über nominal 73.000,00 € mit einem bis zum 08.03.2017 gebundenen Sollzinssatz von 4,790 % per anno (Bl. 14-17 d. A.).
Die Beklagte belehrte den Kläger über ein bestehendes Widerrufsrecht. Die Widerrufsbelehrung lautet auszugsweise:„[…]WiderrufsrechtSie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 2 Wochen (einem Monat)1 ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen.
Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen- ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und- die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrageszur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs[…]“
Das Darlehen diente der Finanzierung einer 15 kWPeak-Photovoltaikanlage auf dem Wohnhaus des Klägers. Ein Gewerbe hat der Kläger nicht angemeldet. Er hat auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG verzichtet. Der durch die Anlage erzeugte Strom wird vollständig ins Netz eingespeist, wofür der Kläger eine Einspeisevergütung nebst Umsatzsteuer erhält.Mit Schreiben vom 07.02.2008 (Bl. 47 d. A.) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er weitere Investitionen im Bereich Solarstrom plane.Im Jahr 2007 trug sich der Kläger mit dem Gedanken, das Darlehen vorzeitig abzulösen, wobei eine Ablösung nicht erfolgte. In den Jahren 2008 und 2010 wandte sich der Kläger wegen einer möglichen vorzeitigen Ablösung an die Beklagte, wobei das Darlehen erneut nicht abgelöst wurde.Das Darlehen wurde schließlich mit einer Sondertilgung in Höhe von 6.200,00 € am 19.05.2016 zurückgeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt zahlte der Kläger im Zeitraum vom 01.06.2007 bis 02.05.2016 monatliche Raten von 476,00 € sowie außer der vorgenannten weitere Sondertilgungen wie folgt:- 28.08.2007:800,00 €- 21.12.2010:7.300,00 €- 23.03.2011:7.300,00 €- 18.12.2012:5.400,00 €- 16.01.2014:4.806,51 €- 29.12.2014:2.493,49 €- 19.05.2016:6.200,00 €Mit Schreiben seiner früheren Bevollmächtigten vom 15.06.2016 (Bl. 17-18 d. A.) erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung und forderte die Beklagte unter Fristsetzung auf den 30.06.2016 vergeblich zur Zahlung eines Betrages von 20.008,00 € auf.Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe ein Widerrufsrecht zu, da er als Verbraucher anzusehen sei. Die Widerrufsfrist sei zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs noch nicht abgelaufen gewesen, da die Beklagte ihn nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt habe.Der Kläger beantragt,die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.125,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.05.2016 zu zahlen.Die Beklagte beantragt,Klageabweisung.Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei als Unternehmer anzusehen, weshalb ihm grundsätzlich kein Widerrufsrecht zustehe. Der Ausübung des Widerrufsrechts stehe der Einwand der Verwirkung entgegen.Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 16.08.2017 (Bl. 97-99 d. A.) Bezug genommen.EntscheidungsgründeI.Die zulässige Klage ist unbegründet.1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 8.125,59 € aus §§ 495 Abs. 1, 355, 357 Abs. 1 S. 1, 346 ff. BGB in der hier nach Art 229 § 9 Abs. 1 Satz 1, § 22 Abs. 2, § 32 Abs. 1, § 38 EGBGB maßgeblichen, in der Zeit vom 01.08.2002 bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (künftig a. F.) zu. Die Parteien haben einen Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 BGB geschlossen.a) Der Kläger ist vorliegend nicht als Unternehmer tätig geworden.(1) Unternehmer ist nach der Legaldefinition des § 14 Abs. 1 BGB eine Person, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Eine gewerbliche Tätigkeit setzt - jedenfalls - ein selbständiges und planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus (BGH, Urteil vom 29. März 2006 – VIII ZR 173/05 –, juris [Rn 14]). Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 – XI ZR 100/02 –, juris [Rn 18]). Zu den gewerblichen Betätigungen gehört nicht die Verwaltung eigenen Vermögens, die auch dann grundsätzlich dem privaten Bereich zugerechnet wird, wenn es sich um die Anlage beträchtlichen Kapitals handelt. Das ausschlaggebende Kriterium für die Abgrenzung der privaten von einer berufsmäßig betriebenen Vermögensverwaltung ist der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte. Erfordern diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation, so liegt eine gewerbliche Betätigung vor (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2001 – XI ZR 63/01 –, juris [Rn 23]).(2) Nach diesen Maßstäben liegt keine gewerbliche Tätigkeit des Klägers vor.Der Kläger hat die Solaranlage auf dem Dach eines Wohnhauses und einer zu dem Haus gehörenden ungenutzten Scheune errichtet. Der von der Anlage erzeugte Strom wurde zu 100 % in das Stromnetz eingespeist. Der Kläger erhält seitens der Energieunternehmen eine Einspeisevergütung inklusive Umsatzsteuer und führt letztere selbst ab, nachdem er auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG verzichtet hat (§ 19 Abs. 2 UStG). Durch den Verzicht war es dem Kläger der Vorsteuerabzug möglich, sodass er die Anlage zum Nettopreis erwerben konnte.Die Photovoltaikanlage dient vorliegend ausschließlich dem Zweck, Strom für die Einspeisung in das öffentliche Netz zu erzeugen, für die der Kläger Vergütungen nach dem EEG enthält. Dies allein vermag allerdings für sich gesehen keine gewerbliche Tätigkeit zu begründen (a. A. LG Dortmund, Urteil vom 17. Juni 2011 – 25 O 210/11 –, juris [Rn 16]). Seitens des LG Dortmund wird nicht berücksichtigt, dass auch die Verwaltung privaten Vermögens regelmäßig auf eine Vermehrung desselben abzielt und angelegt ist (BGH, Urteil vom 23. September 1992 – IV ZR 196/91 –, juris [Rn 15]) und Erträge generiert. Beispielsweise ist die Errichtung von Häusern und Eigentumswohnungen zum Zwecke späterer Vermietung und Verpachtung durch den Eigentümer ist in der Regel kein Gewerbebetrieb des Vermieters (BGH, Urteil vom 10. Mai 1979 – VII ZR 97/78 –, juris [Rn 13]), obschon auch in diesem Fall sowohl eine Teilnahme am Markt erfolgt, als auch die Vermietung auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist.Auch die Tatsache, dass der Kläger auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet hat, führt nicht zu der Annahme, der Kläger habe als Unternehmer gehandelt. Das Gericht folgt nicht der Auffassung, dass der umsatzsteuerliche Unternehmerbegriff regelmäßig mit dem bürgerlich-rechtlichen übereinstimmt (so aber LG Kleve, Urteil vom 07. Februar 2017 – 4 O 144/16 –, juris [Rn 17]). Zwar hat der Bundesgerichtshof ein unternehmerisches Handeln angenommen, wenn in einem Kaufvertrag nach § 9 Abs. 1 UStG zur Umsatzsteuerpflicht optiert wird (BGH, Urteil vom 26. Februar 2016 – V ZR 208/14 –, juris [Rn 29]; a. A. OLG Stuttgart, Urteil vom 17. März 2010 – 3 U 160/09 –, juris [Rn 28]). Allerdings hat der Bundesgerichtshof dies damit begründet, dass das Ziel der dortigen Kläger, eine Umsatzsteuerrückerstattung zu erlangen, sich nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG nur erreichen ließe, wenn das Grundstück unter weiterem Verzicht auch auf die Umsatzsteuerbefreiung der Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 Buchstabe a UStG von den Klägern zur gewerblichen Vermietung eingesetzt wird (Unterstreichung durch das Gericht). In dem konkreten Fall mussten die Kläger somit zwingend gewerblich tätig werden. Wenn der Bundesgerichtshof ausführt, dass die dortigen Kläger durch das Optieren „zu Unternehmern nicht nur im Sinne von § 9 Abs. 1, § 2 Abs. 1 UStG, sondern es auch im Sinne von § 14 BGB [wurden]“ (BGH a. a. O.), so zeigt dies, dass der BGH den umsatzsteuerrechtlichen Unternehmerbegriff gerade nicht generell mit dem zivilrechtlichen gleichstellt. Denn § 4 UStG stellt verschiedene Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerfrei. Letzterer unterstellt allerdings „die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt“ der Umsatzsteuer. Ebenso normiert § 9 Abs. 1 UStG, dass der Unternehmer einen steuerfreien Umsatz als steuerpflichtig behandeln kann. Die Regelungen setzen somit die Unternehmereigenschaft nach dem UStG bereits voraus. Als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB behandelt der BGH die Kläger in dem entschiedenen Verfahren allerdings ausschließlich aufgrund des Optierens gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG. Das Gericht schließt sich insoweit der Auffassung an, dass für die zivilrechtliche Fragestellung, ob ein Vertragspartner bei Abschluss des Geschäfts als Verbraucher gem. § 13 BGB oder als Unternehmer i.S.v. § 14 BGB gehandelt hat, die umsatzsteuerrechtliche Betrachtung keine Rolle spielt (OLG Stuttgart, a. a. O.).Hinzu kommt, dass der Kläger kein Gewerbe angemeldet hat (dies war bei der Entscheidung des LG Kleve a. a. O. der Fall). Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger bewusst kein Gewerbe angemeldet haben soll. Ausweislich des Protokolls hat der Kläger lediglich erklärt, kein Gewerbe angemeldet zu haben. Dass er dies trotz einer entsprechenden Notwendigkeit nicht getan haben soll, ist indes nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem mit Schriftsatz der Beklagten vom 31.08.2017 vorgelegten Internet-Ausdruck, in welchem darauf abgestellt wird, dass das Bundesfinanzministerium eine offizielle Grenze bei einer Leistung von 5 kW ziehen würde. Ungeachtet dessen, dass sich aus dem Ausdruck nicht ergibt, dass dies bereits im Anschaffungsjahr der Fall war, ergibt sich weitergehend aus der Internetveröffentlichunghttps://www.rechnerphotovoltaik.de/photovoltaik/gewerberecht/gewerbe-anmeldendass das Bundesfinanzministerium in den ersten Jahren von einem Verlustgeschäft ausgeht, da die Investitionskosten erst einmal amortisiert werden müssen. Erst wenn dies erreicht ist, wird die solare Stromerzeugung zur unternehmerischen Tätigkeit, die im Resultat die Anmeldung eines Gewerbes notwendig macht. Jedenfalls zum Zeitpunkt des Erwerbs der Anlage und Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrages war eine Gewerbeanmeldung nicht notwendig.Dass der Betrieb der Anlage einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation erfordern würde, wird weder von der Beklagten behauptet, noch ist dies sonst ersichtlich.Nach alledem kann ungeachtet der steuerrechtlichen Einordnung nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei dem Abschluss des Darlehensvertrages als Unternehmer gehandelt hat (OLG Hamm, Urteil vom 11. November 2015 – I-12 U 34/15, 12 U 34/15 –, juris [Rn 64]; (OLG Zweibrücken, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 7 U 133/15 –, juris [Rn 80]). Zwar trägt der Verbraucher die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass nach dem von ihm objektiv verfolgten Zweck ein seinem privaten Rechtskreis zuzuordnendes Rechtsgeschäft vorliegt. Unsicherheiten und Zweifel aufgrund der äußeren, für den Vertragspartner erkennbaren Umstände des Geschäfts gehen aber nach der negativen Formulierung des Gesetzes nicht zu Lasten des Verbrauchers. Bei einem Vertragsschluss mit einer natürlichen Person ist grundsätzlich von Verbraucherhandeln auszugehen. Anders ist dies nur dann, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht des anderen Teils eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist (BGH, Urteil vom 30. September 2009 – VIII ZR 7/09 –, juris [Rn 11], Unterstreichung durch das Gericht). Dies ist vorliegend nicht der Fall.b) Der Kläger hat seine Vertragserklärung noch fristgerecht widerrufen. Die gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 2 BGB a. F. zu erteilende Widerrufsbelehrung hat den Anforderungen des in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. geregelten Deutlichkeitsgebot nicht genügt. Eine den Vorgaben des § 355 BGB a. F. entsprechende Widerrufsbelehrung hat die Beklagte nicht erteilt. Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Dem wird die Widerrufsbelehrung der Beklagten nicht gerecht.(1) Die Belehrung entspricht hinsichtlich des Fristbeginns nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. Dadurch, dass die Belehrung ausführt, die Frist für den Widerruf beginne einen Tag nachdem dem Verbraucher ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und „die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags“ zur Verfügung gestellt wurden (Unterstreichung durch das Gericht), wird dem Verbraucher die unzutreffende Vorstellung vermittelt, die Widerrufsfrist beginne auch unabhängig von seiner eigenen Vertragserklärung bereits am Tag nach dem Zugang eines Angebotes der Beklagten zu laufen (BGH, Urteil vom 10. März 2009 – XI ZR 33/08 –, juris [Rn 16]). Unerheblich ist hierbei, ob dem Verbraucher in seiner konkreten Situation bewusst ist, dass er bereits selbst eine eigene Vertragserklärung abgegeben hat, da es nicht auf die Kausalität der Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung im Einzelfall ankommt, sondern vielmehr alleine entscheidend ist, ob die erteilte Belehrung durch ihre missverständliche Fassung objektiv geeignet ist, die Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (BGH Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 –, juris [Rn 26]; Urteil vom 23. Juni 2009 – XI ZR 156/08 -, juris [Rn 25]).(2) Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Schutzwirkung der Musterbelehrung berufen. Ein Muster, das den Fristanlauf wie von der Beklagten gehandhabt darstellen würde, war zum relevanten Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht existent.c) Der Ausübung des Widerrufsrechtes steht nicht der Einwand der Verwirkung entgegen.Im Ausgangspunkt festzustellen ist zunächst, dass auch das „ewige Widerrufsrecht“ verwirkt werden kann (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 –, juris [Rn 39]).
Einen gesetzlichen Ausschluss des Instituts der Verwirkung hat der Gesetzgeber auch mit dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften nicht eingeführt und damit zugleich zu erkennen gegeben, diesem Institut grundsätzlich schon immer Relevanz im Bereich der Verbraucherwiderrufsrechte zuzuerkennen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 –, juris [Rn 34]). Die Unverzichtbarkeit des Widerrufsrechts nach § 506 Satz 1 BGB in der zwischen dem 1. Juli 2005 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung hindert die Anwendung des Instituts der Verwirkung nicht. Die Verwirkung knüpft nicht an eine ausdrückliche oder stillschweigende Willenserklärung an, sondern an eine gesetzliche Wertung anderweitiger Umstände (BGH, a. a. O. [Rn 35]).Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde, sich deshalb hierauf eingerichtet hat und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (BGH, Urteile vom 18. Oktober 2004 - II ZR 352/02 -, juris [Rn 23]; Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 10/11 -, juris [Rn 20 f]; Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09 -, juris [Rn. 20]; BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12 -, juris [Rn 13]). Gerade im Anwendungsbereich von Verbraucherschutzrechten und damit zusammenhängenden Widerrufsrechten sind strenge Anforderungen zu stellen. Die mit der unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile hat grundsätzlich der Geschäftspartner des Verbrauchers zu tragen. Die bloße Dauer zwischen dem widerrufenen Geschäft und dem Widerruf reicht dafür nicht aus (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 – II ZR 352/02 –, juris [Rn 23 f]). Allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kann der Unternehmer ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, nicht bilden (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 –, juris [Rn 39]). Es kommt für das Umstandsmoment auch nicht darauf an, wie gewichtig der Fehler ist, der zur Wirkungslosigkeit der Widerrufsbelehrung führt.
Der Verbraucher ist entweder ordnungsgemäß belehrt oder nicht (BGH, a. a. O. [Rn 40]). Der Darlehensgeber wird dadurch nicht unbillig belastet, da es ihm während der Schwebezeit bei laufenden Vertragsbeziehungen jederzeit möglich und zumutbar ist, durch eine Nachbelehrung des Verbrauchers die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (BGH, a. a. O. [Rn 41]). Allerdings ist zu beachten, dass gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein kann, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren. Denn zwar besteht die Möglichkeit der Nachbelehrung auch nach Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags von Gesetzes wegen fort. Eine Nachbelehrung ist indessen nach Vertragsbeendigung sinnvoll nicht mehr möglich, weil die Willenserklärung des Verbrauchers, deren fortbestehende Widerruflichkeit in das Bewusstsein des Verbrauchers zu rücken Ziel der Nachbelehrung ist, für den Verbraucher keine in die Zukunft gerichteten wiederkehrenden belasteten Rechtsfolgen mehr zeitigt (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 –, juris [Rn 41]).Nach diesen Maßstäben ist das Widerrufsrecht vorliegend nicht verwirkt.(1) Das Zeitmoment ist erfüllt. Seit dem Vertragsschluss, auf den bei der Bemessung des Zeitmomentes abzustellen ist (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15 –, juris [Rn 30]) sind bis zu Erklärung des Widerrufs 9 Jahre vergangen.(2) Allerdings ist das Umstandsmoment nicht erfüllt.In diesem Punkt spielt der weitere Zeitablauf zwischen der (vorzeitigen) Darlehensrückführung und Ausübung des Widerrufsrechtes eine gewichtige Rolle. Zu beachten ist hierbei zunächst, dass sich bis zum Zeitpunkt der (vorzeitigen) Ablösung der Darlehen nach der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kein schützenswertes Vertrauen des Darlehensgebers bilden kann, da es diesem möglich und zumutbar ist, durch eine entsprechende Nachbelehrung des Verbrauchers die Widerrufsfrist in Gang zu setzen.
Der Darlehensgeber muss sich mit anderen Worten nach der (vorzeitigen) Beendigung des Darlehensvertrages sein schützenswertes Vertrauen wieder „verdienen“. Umgekehrt ist zu berücksichtigen, dass nach der (vorzeitigen) Beendigung kein aktives Verhalten des Verbrauchers mehr zu erwarten ist, auf das sich das Vertrauen des Darlehensgebers gründet und rechtfertigt, der Verbraucher werde von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen. Das Verhalten des Verbrauchers, dass ein Vertrauen in die Nichtausübung des Widerrufsrechts rechtfertigt, kann in diesem Stadium lediglich noch in einer fortwährenden Untätigkeit in Bezug auf die Ausübung des Widerrufsrechtes liegen, wobei es im Rahmen der Verwirkung generell nicht darauf ankommt, ob der Widerrufsberechtigte Kenntnis von seiner Berechtigung hat (BGH, Urteil vom 16. März 2007 – V ZR 190/06 –, juris [Rn 8]). Weitergehend gilt zu beachten, dass Treu und Glauben es bei Gestaltungsrechten verlangen können, dass der Berechtigte im Interesse der anderen Vertragspartei alsbald Klarheit darüber schafft, ob er beabsichtigt, seine Rechte auszuüben, und damit nicht länger zögert als notwendig (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2001 – I ZR 91/99 –, juris [Rn 21]). Je länger der Verbraucher nach Beendigung des Vertrages weiterhin untätig bleibt, obwohl eine Geltendmachung seiner Rechte zu erwarten wäre, desto mehr wird der Darlehensgeber in seinem Vertrauen (wieder) schutzwürdig, der Gläubiger werde ihn nicht mehr in Anspruch nehmen (zu diesem Aspekt generell BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000 – X ZR 150/98 –, juris [Rn 43]). Dies gilt bei bereits (vorzeitig) abgelösten Darlehensverträgen bereits deshalb, da neben dem Anspruch auf Rückzahlung einer etwaig gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung insbesondere auch Nutzungsersatzansprüche des Verbrauchers gegenüber dem Darlehensgeber bezüglich der Zins- und Tilgungsleistungen einschließlich der Vorfälligkeitsentschädigung bestehen. Zu berücksichtigen ist, dass einerseits zulasten der Bank vermutet wird, dass diese Nutzungen in Höhe von 2,5%-Punkten über dem Basiszinssatz zieht und andererseits nach Auffassung der Kammer hohe Anforderungen an die Wiederlegung der Vermutung bestehen, insbesondere Refinanzierungskosten nur dann berücksichtigt werden können, wenn diese nachweisbar konkret im Zusammenhang mit dem jeweils einzelnen Kreditverhältnis stehen (ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 06. Oktober 2015 – 6 U 148/14 –, juris [Rn 74]).
Im Zusammenspiel vorstehender Erwägungen kommt eine Verwirkung des Widerrufsrechtes dann in Betracht, wenn nach der (vorzeitigen) Beendigung des Darlehensvertrages ein weiterer relevanter Zeitablauf festzustellen ist, innerhalb dessen der Darlehensgeber aufgrund der weitergehenden Untätigkeit des Verbrauchers ein schutzwürdiges Vertrauen in die Nichtausübung des Widerrufsrechtes gebildet und sich hierauf eingerichtet hat.Gemessen an diesen Maßstäben ist das Umstandsmoment nicht erfüllt. Bis zur Ablösung des Darlehens waren über 9 Jahre vergangenen, in denen es die Beklagte verabsäumt hat, durch eine ordnungsgemäße und zumutbare Nachbelehrung die Widerrufsfrist in Gang zu setzen. In Anbetracht dieser Zeitspanne genügt der zwischen der Ablösung des Darlehens und Erklärung des Widerrufs liegende Zeitablauf von wenigen Wochen nicht, um das Umstandsmoment als erfüllt anzusehen. Die Beklagte durfte sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht darauf einrichten, dass der Kläger das Widerrufsrecht nicht mehr ausübt.d) Die Ausübung des Widerrufsrechts verstößt nicht gegen Treu und Glauben.Zunächst sind die – anzunehmend wirtschaftlichen – Motive des Klägers, Jahre nach Vertragsschluss noch zu widerrufen, unerheblich.
Für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Widerrufenden ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen Raum (BGH, Urteil vom 16. März 2016 – VIII ZR 146/15 –, juris [Rn 16]). Der bloße Zeitablauf genügt nicht, weil die Möglichkeit des Widerrufs auch noch nach längerer Zeit die vom Gesetz gewollte Folge der unterbliebenen Belehrung ist, für die der Belehrende verantwortlich ist (BGH, Beschluss vom 13. Januar 1983 – III ZR 30/82 –, juris [Rn 4]). Auf die Motive für die Ausübung des Widerrufsrechts kommt es ebenso wenig an wie auf ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers (BGH, Urteile vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 –, juris [Rn 23] und – XI ZR 564/15 –, juris [Rn 47]; Urteil vom 16. März 2016 – VIII ZR 146/15 –, juris [Rn 20]). Denn es soll vom freien Willen des Verbrauchers abhängen, ob er seine Vertragserklärung wirksam werden lassen will oder nicht (BGH, Urteil vom 19. Februar 1986, VIII ZR 113/85 -, juris [Rn 18]; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Juni 1991, VIII ZR 256/90 -, juris [Rn 12]).
Angesichts der gesetzgeberischen Entscheidung, den Beginn der Widerrufsfrist an die Erteilung einer inhaltlich bestimmten Anforderungen genügenden Widerrufsbelehrung zu knüpfen, und im Fall des Fehlens einer solchen qualifizierten Widerrufsbelehrung keine Maximalfrist vorzusehen, erscheint es auch nicht begründbar, die Unverhältnismäßigkeit der Widerrufsfolge im Vergleich zur Schwere des Belehrungsfehlers heranzuziehen. Nach Erfahrung der Kammer mit einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle sind die Belehrungsfehler typischerweise geringfügiger Art. Die Unverhältnismäßigkeit ist schlicht Folge der gesetzgeberischen Anordnung, die nicht generell oder auch nur regelmäßig über § 242 BGB als unzulässige Rechtsausübung korrigiert werden kann.
In der Ausübung des Widerrufsrechts liegt auch keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung. Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 15. November 2012, IX ZR 103/11 -, juris [Rn 12]). Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.
Es kann insbesondere in der fortwirkenden Erfüllung der ihm aufgrund der Darlehensverträge obliegenden Zahlungsverpflichtungen durch den Kläger für sich alleine gesehen ohne Hinzutreten weiterer besondere besonderer Umstände kein Verhalten gesehen werden, das geeignet wäre, die Ausübung des Widerruf als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich erscheinen zu lassen.
Dem steht bereits entgegen, dass sich die fortwirkende Vertragstreue bereits nicht als Ausdruck einer eigenen Entscheidung des Verbrauchers darstellt (hierzu Pfeiffer in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 242 BGB, Rn. 57). Aus der maßgeblichen Sicht der Bank wird es dem Verbraucher schwerer fallen, das Fortbestehen des Widerrufsrechts zu erkennen, wenn die Widerrufsbelehrung den Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit erweckt (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 –, juris [Rn 40]). Dann aber kann die Bank nicht redlicherweise davon ausgehen, mit der vertragstreuen Zahlung der Darlehensraten treffe der Verbraucher in Kenntnis seines fortbestehenden Widerrufsrechtes die Entscheidung, den Vertrag gleichwohl durchführen zu wollen. Aus dem gleichen Grund lassen auch die Sondertilgungen die Ausübung des Widerrufsrechtes nicht als treuwidrig erscheinen.(e) Der Höhe nach steht dem Kläger der geltend gemachte Betrag zu. Die Zahlungen des Klägers sind unstreitig. Gegen die von dem Kläger vorgelegte Berechnung (Forderungskonto, Bl. 19-27 d. A.) hat die Beklagte nichts erinnert.
2. Zinsen stehen dem Kläger erst ab Rechtshängigkeit zu (§§ 280 Abs. 1 u. 2, 286, 288 BGB).Das Schreiben vom 15.06.2016 (Bl. 17-18 d. A.) hat keinen Verzug hinsichtlich der streitgegenständlichen Forderung begründet. Der Kläger hat in jenem Schreiben ersichtlich die von ihm geleisteten Zinszahlungen zurückgefordert, nicht aber den nunmehr streitgegenständlichen Nutzungsersatz. Im Gegenteil hat der Kläger in diesem Schreiben ausdrücklich ausgeführt, dass er sich für den Fall, dass keine Einigung erzielt werde, vorbehalte, Zinsen auf den Rückzahlungsanspruch geltend zu machen.
Damit hat der Kläger den hier streitgegenständlichen Betrag nicht angemahnt.Nachdem die Klage am 15.05.2017 zugestellt wurde, stehen dem Kläger Zinsen ab dem 16.05.2017 zu.
Der Kläger kann 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz als Verzugszins verlangen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Nutzungsersatz und Verzugszins nicht kumuliert werden können, ist nicht einschlägig, da der Kläger vorliegend lediglich den Nutzungsersatz als solchen verlangt (BGH, Urteil vom 25. April 2017 – XI ZR 573/15 –, juris [Rn 44]).